Die 35jährige IT-Spezialistin kommt in unsere Schwindelsprechstunde. Sie berichtet von immer wieder auftretenden, nur kurz für etwa 5-10 Sekunden anhaltenden, dann aber sehr heftigen Schwindelzuständen. Sie habe dann das Gefühl, als würde sich alles um sie drehen wie in einem Karussell, so dass sie sich sogar im Sitzen festhalten müsse, aus Angst sonst umzufallen.
Ihr sei aufgefallen, dass diese Attacken vor allem morgens beim Aufrichten aus dem Liegen, manchmal aber auch beim Hinlegen und selten nachts beim Umdrehen im Liegen auftreten würden. Am Vortag der Untersuchung habe sie ein Buch aus einem hohen Regalfach nehmen wollen, dabei sei auch der Schwindel wieder aufgetreten und sie sei beinahe nach hinten umgestürzt.
Die Beschwerden seien vor etwa 3 Wochen zum ersten Mal aufgetreten, nachdem sie vorher wegen einer schweren Grippe 1 Woche viel im Bett gelegen sei.
Nach einer kurzen Untersuchung steht die Diagnose fest.
Diagnose: Gutartiger Lagerungsschwindel
Die von der Patientin geschilderten Beschwerden sind charakteristisch für die Diagnose. Mit einer durchgeführten Lagerungsprüfung, bei der die Patienten jeweils schnell auf eine Seite gelegt werden und die Augen dann beobachtbare, typische Spontanbewegungen ausführen (den sog. "Lagerungsnystagmus") lässt sich die Diagnose sichern.
Ursache für die Störung ist die Verlagerung von kleinen "Kalkbröseln" in den mit Flüssigkeit gefüllten Gängen unseres Gleichgewichtssystems. Diese kleinen Steinchen erfüllen an bestimmter Stelle eine wichtige Aufgabe: durch Aufliegen auf den dort vorhandenen Sinneshärchen signalisieren Sie dem Gehirn die Richtung der Schwerkraft und tragen damit zum Erhalt des Gleichgewichts bei.
Einige dieser Brösel können nun in den falschen Gang geraten, z.B. nach längerem Liegen oder auch durch einen Schlag gegen den Kopf. Dort können Sie sich zu einem Pfropf zusammenballen und dann durch gemeinsames Absinken bei Lagewechsel eine Wirkung entfalten, die dem Kolben einer Spritze ähnelt. Die dadurch in Bewegung gesetzte Flüssigkeit in diesem Gang erregt wieder andere Sinneshärchen, die eigentlich dem Erfassen von Drehbewegungen dienen. So kommt es zu dem Drehgefühl mit Schwindel, das die Patienten häufig schildern.
Die Störung ist harmlos, aber für die betroffenen Patienten zum Teil extrem belastend, weil es - ähnlich wie beim Karussellfahren - auch zu Übelkeit und sogar Erbrechen kommen kann.
Zur Behandlung werden bestimmte Übungen durchgeführt, mit welchen sich die Teilchen wieder aus dem falschen Gang hinaus befördern lassen. Allerdings muss vorher klar sein, welcher Gang auf welcher Seite betroffen ist, um die jeweils geeignete Übung auswählen zu können.
Außerdem müssen auch andere Ursachen eines plötzlich auftretenden Drehschwindels ausgeschlossen werden, so dass eine neurologische Untersuchung in jedem ähnlich gelagerten Fall erfolgen sollte.
Interessieren Sie sich für andere Fälle aus unserer Praxis ?
Hier ist eine Liste der bisher veröffentlichten Fälle:
Fall 1: Immer wieder auftretende, heftige, einseitige Kopfschmerzen
Fall 2: Regelmäßig nachts auftretendes Taubheitsgefühl und Schmerzen einer Hand
Fall 3: Zunehmendes Zittern beider Hände
Fall 4: Täglicher Kopfschmerz mit regelmäßiger Schmerzmittel-Einnahme
Fall 5: Wiederholtes Drehgefühl mit Schwindel beim Hinlegen oder Aufrichten
Fall 6: Erst Gesichtsfeldeinschränkung, dann Sprachstörung, dann Kopfschmerz
Fall 7: Einseitige Gesichtslähmung
Fall 8: Großflächige Gefühlsstörung am Oberschenkel
Fall 9: Häufige nächtliche Wadenkrämpfe
Fall 10: Brennen an den Fußsohlen
Fall 11: Abendlicher Bewegungsdrang der Beine
Fall 12: Anhaltendes Taubheitsgefühl von Ringfinger und kleinem Finger
Fall 13: Nächtliches Schreien, Schlagen, Treten
Fall 14: Immer wieder auftretende Rückenschmerzen
Fall 15: Nächtliche Bewusstlosigkeit