Aktuelles Wissen: Boxen – der einzige „Sport“ mit dem Ziel der vorsätzlichen Körperverletzung

"Boxen ist eine Kampfsportart, bei der sich zwei Personen unter festgelegten Regeln nur mit den Fäusten bekämpfen. Ziel ist es, möglichst viele Treffer beim Gegner zu erzielen oder diesen durch einen Knockout außer Gefecht zu setzen." (Wikipedia)
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Von einem Knockout (K. o.) spricht man, wenn ein angeschlagener Kämpfer nicht in der physischen oder psychischen Verfassung ist, den Kampf nach einer ihm zugestandenen Erholungspause (in der Regel 10 Sekunden) wieder aufzunehmen." (Wikipedia)

Ziel eines Boxkampfes ist es also, beim Gegner - aus medizinischer Sicht - ein stumpfes Schädel-Hirn-Trauma herbeizuführen, möglichst mit der Folge einer kurzen Bewusstlosigkeit.
Auch andere Sportarten haben ein Verletzungsrisiko, die Besonderheit beim Boxen ist jedoch, dass es hier die erklärte und auch von den Zuschauern gewünschte Absicht des Sportlers ist, den (oder auch die) Gegner(in) am Kopf zu verletzen.

Kampfentscheidend sind dabei oft Drehbeschleunigungen des Kopfes, die zu einer Stauchung, Zerrung von Nervenbahnen, mindestens aber zu einem vorübergehenden Funktionsausfall von Gehirnzellen führen.
Durch den Aufprall der Faust, vor allem aber bei Stürzen des im Fallen schon bewusstlosen Boxers kann es zu schweren, lokalen  Hirnverletzungen kommen, wie man sie von anderen Schädel-Traumata z.B. nach Verkehrsunfällen kennt (sog. "Coup" und "Contrecoup"-Herde).
Seit 1890 wurden offiziell ca. 10 Todesfälle pro Jahr registriert, die Dunkelziffer dürfte jedoch - bei vielen inoffiziell stattfindenden Kämpfen - viel höher liegen.
Eine Untersuchung an japanischen Profiboxern konnte zeigen, dass 1 Tag nach einem K.O. bei fast der Hälfte der Betroffenen Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Vergesslichkeit, Hörstörungen, Schwindel, Übelkeit und Gangstörungen fortbestanden.
Viele Profiboxer entwickeln noch während ihrer aktiven Zeit messbare und dauerhafte Beeinträchtigungen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit.
Bei ca. 20 Prozent der Profiboxer kommt es zu schweren Folgeerkrankungen des Gehirns: Parkinson, Sprachstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Verlangsamung des Denkens, Gedächtnisstörungen bis hin zu einer Demenz (deutlich erhöhtes Risiko), Depression, Reizbarkeit, Kriminalität, Sucht.

Aus neurologischer Sicht ist es daher doch einigermaßen erstaunlich, dass der Staat dies alles zulässt, immerhin ist vorsätzliche Körperverletzung eigentlich ein Straftatbestand. Möglich wird dies jedoch durch §228 StGB, der eine Körperverletzung straffrei stellt, wenn der Verletzte vorher eingewilligt hat.
Derselbe Paragraf erlaubt uns Ärzten, im Rahmen der Behandlung eine Körperverletzung (Spritze, Operation usw.) vorzunehmen, wenn der Betroffene vorher schriftlich zugestimmt hat. Allerdings wird in der Medizin verlangt, dass der Patient vorher umfassend über die Risiken aufgeklärt wird. Versäumt der Arzt dies, macht er sich dennoch strafbar.

Während es in der Medizin darum geht, Menschen zu helfen und sie wieder gesund zu machen, kann man dies vom Boxsport kaum behaupten. Es gehört zu den Eigenheiten unseres Rechtssystems, dass für den Boxsport trotzdem keine vergleichbaren Regeln existieren. Ein Beipackzettel zu allen Boxhandschuhen ? Lächerlich ! Ein ausführliches Aufklärungsgespräch und ein zu unterschreibender Aufklärungsbogen vor jedem Boxkampf ? Fehlanzeige. Junge Sportler, die mit dem Boxsport beginnen, wissen von den möglichen Folgen häufig wenig, es gibt keine gesetzlich geregelte Aufklärungspflicht der Vereine oder der Trainer.  Noch nicht einmal regelmäßige, neurologische / neuropsychologische Kontroll-Untersuchungen der Boxer sind gesetzlich vorgesehen bzw. vorgeschrieben. Auch die Aufklärung der Öffentlichkeit durch die Medien lässt hier stark zu wünschen übrig.

Die Erklärung hierfür ? So banal wie schwer verständlich: es gibt einfach zu viele Fans, die mit unverhohlener Lust dabei zusehen, wie einer dem anderen mit aller Wucht gegen den Kopf schlägt. Ein von der Mehrheit gebilligtes Verhalten verstößt nicht gegen die "guten Sitten" und wird daher in einem demokratischen Rechtsstaat auch nicht verfolgt.

"Boxen ist hinsichtlich passiver Teilnahme eine der populärsten Sportarten weltweit - in Deutschland rangierte es im Jahr 2012 auf Platz 2 der beliebtesten, im Fernsehen angeschauten Sportarten." (Wikipedia)

"Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt."
(§ 228 StGB)

 

Weiterführende Links für Interessierte:

Boxen – akute Komplikationen und Spätfolgen: Von der Gehirnerschütterung bis zur Demenz (Deutsches Ärzteblatt Int 2010; 107(47): 835-9)

Die Körperverletzung des Gegners im Kampfsport und die strafrechtliche Einwilligungsproblematik

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