Ärztliche Schweigepflicht in Gefahr – die elektronische Patientenakte

Liebe Leserin, lieber Leser,

halten Sie die ärztliche Schweigepflicht grundsätzlich für sinnvoll und schützenswert?

Wir und unsere Patient(in)en machen uns hierzu inzwischen große Sorgen.
Wir möchten Sie daher über eine wichtige Neuerung informieren und wären Ihnen dankbar, wenn Sie diese Information dann auch an Ihren Bekanntenkreis weitergeben.

Der Bundestag hat kurz vor Weihnachten die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für gesetzlich versicherte Patienten beschlossen.
Das bedeutet, dass Ärzte in Zukunft alle Untersuchungsergebnisse und Diagnosen in einer zentralen Daten-Cloud speichern müssen.
Es wird behauptet, dass nur Berechtigte Zugriff darauf haben. Doch wie können Sie als Patient(in) sicherstellen, dass Ihre Daten geschützt bleiben?

Das Problem sehen wir im jetzt eingeführten „Opt-Out“-Verfahren:
Patienten müssen aktiv gegen ihre eigene ePA Widerspruch einlegen, andernfalls werden automatisch alle ihre Daten gespeichert.
Man kann vermuten, dass viele Versicherte das aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit nicht tun werden.

Gesundheitsunternehmen, Krankenkassen, Versicherungen, die Wissenschaft und auch die Politik selbst - alle sind interessiert an der Auswertung von Gesundheitsdaten (siehe P.S.). Abgelehnte Stellengesuche, verweigerte Kredite und höhere Versicherungs- und Krankenkassenbeiträge (wegen Risikogruppe!) sind da noch die harmloseren, möglichen Folgen. Eine autoritär agierende Partei könnte irgendwann mitregieren und Zugriff auf die Daten haben. Die falschen Leute könnten so erfahren, welche als Druckmittel geeigneten „Schwächen“ man hat.

Kriminelle Hacker sind eine weitere, erhebliche Gefahr. Regelmäßig dringen sie in Datenbanken von Unternehmen, Behörden und auch Krankenkassen ein. Immer geht es dabei um Erpressung. Man könnte von Ihnen zum Beispiel Geld verlangen, damit Ihr Chef, Ihre Nachbarn und Kollegen nicht von Ihren intimsten Gesundheitsdaten erfahren.

Wir Ärzte sind nicht gegen rasch verfügbare, digitale Patientendaten, ganz im Gegenteil, diese würden unsere Arbeit enorm erleichtern.
Wir bevorzugen aber eine Lösung, bei der Patienten ihre medizinischen Unterlagen sicher und einfach, beispielsweise auf der Krankenversicherungskarte, speichern können. Sie als Patient(in) würden die volle Kontrolle behalten, wer die Unterlagen zu sehen bekommt. Für Forschungsvorhaben könnten Sie dann nach ausreichender Aufklärung (so ist es auch bisher üblich) Ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen.

Man verspricht uns, für die Auswertung der ePA nur "pseudonymisierte" Daten zu verwenden. Aber: wie anonym sind diese Daten wirklich, wenn auf jedem Ihrer hochgeladenen, medizinischen Dokumente Ihr Name und Ihr Geburtsdatum vermerkt sind und zunehmend die künstliche Intelligenz bei der Auswertung und Verknüpfung von Daten zum Einsatz kommt?

Die für die Einführung der ePA verantwortlichen Gesundheitsminister ehemals Spahn (CDU) und jetzt Lauterbach (SPD) betonen in der Öffentlichkeit, die ePA werde sicher sein. Unabhängige IT-Spezialisten, wie der Chaos-Computerclub, warnen aber eindringlich vor den Risiken solcher zentralen Datenbestände auf die jeden Tag Tausende von Arztpraxen einfachen Zugriff haben sollen (siehe P.S.).

Als Ärzte sind wir verpflichtet, Schaden von unseren Patienten abzuwenden, und das betrifft auch den Umgang mit Ihren Gesundheitsdaten. Ein breiter Widerspruch gegen die ePA könnte die Politik dazu bewegen, eine sicherere und patientenfreundlichere Lösung zu finden.

Überlegen Sie sich daher, bei Ihrer Krankenkasse rechtzeitig (das heißt: jetzt!) Widerspruch gegen die ePA einzulegen.

Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk stellt ein Muster-Formular zur Verfügung, das Sie verwenden können: www.dpnw.de, dort finden Sie auch eine Adressliste aller Krankenkassen. 

Bitte engagieren Sie sich selbst aktiv für den Schutz Ihrer persönlichen Daten und Ihrer Privatsphäre!
Nur wenn das möglichst viele machen, werden wir gemeinsam etwas ändern können.

Dr. Richard Ippisch
Dr. Martina Mennicken
PD Dr. Astrid Röh
Dr. Elisabeth Schmölz
Dr. Kristina-Marija Strube
Dr. Heike Thoma

Unser Anliegen unterstützen und mit unterzeichnen möchte
PD Dr. Wolfgang StrubeStellvertretender Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Augsburg

P.S.Wenn Sie sich genauer über die Marktinteressen an Gesundheitsdaten informieren möchten, empfehlen wir Ihnen die Videodokumentation: "Nackt in der Gesundheitscloud - Wie unsere Körper und Biodaten zum Rohstoff und zur Ware werden." des Wirtschaftsjournalisten Norbert Haering vom Handelsblatt

Ein kurzer Podcast zum Thema Datensicherheit der ePA:
Chaos Computer Club: Hacker befürchten Desaster bei E-Patientenakte