„Zentrale Telematik-Infrastruktur“ – was Sie (nicht?) wissen sollten

"Zentrale Telematik-Infrastruktur" - wissen Sie was das ist?
Nein? Dann geht es Ihnen wie den meisten Patienten und leider auch manche ärztliche Kolleg(inn)en scheinen nicht zu wissen, worauf sie sich da einlassen.
Dabei sind Sie als Patient direkt betroffen, denn es geht um Ihre eigentlich dem Arztgeheimnis unterliegenden Gesundheitsdaten.

Sie haben vermutlich eine Kranken-Versicherungskarte. Darauf sind Ihr Name, Ihre Adresse, die Krankenkasse und Ihr Foto gespeichert. Künftig soll diese Karte der Schlüssel zu Ihren Gesundheitsdaten sein.

Soweit so gut, denn ein rascher Zugriff Ihres behandelnden Arztes auf alle Ihre bisherigen Befunde wäre durchaus wünschenswert, wenn Sie dazu Ihre Erlaubnis geben.
Nur leider werden diese Befunde, Ihre Diagnosen und Arztberichte nicht auf der Karte selbst gespeichert sein, sondern in einem zentralen Datenspeicher, für den Ihre Karte nur der Zugangsschlüssel sein soll.

Die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte wurde unter dem von Jens Spahn geführten Gesundheitsministerium beschlossen. Wurden Sie darüber informiert? Wurde Ihnen je die Frage gestellt: "Möchten Sie, dass in Zukunft Ihre persönlichen Arztberichte, die allesamt dem Arztgeheimnis unterliegen, nicht mehr nur bei Ärzten gespeichert werden, sondern zusätzlich alle zusammen und dauerhaft in einer bundesweiten Zentralen Datenbank, also in einer Daten-Cloud?“ Vermutlich wieder: Nein. Diese Desinformation ist kein Zufall.

Politik, Krankenkassen, Versicherungs- und Gesundheitsunternehmen, auch die Wissenschaft wollen aus unterschiedlichen Gründen an diese gesammelten Daten, um sie für ihre jeweiligen Zwecke auswerten zu können. Das kann sinnvoll sein, z.B. für die epidemiologische Forschung. Das kann aber auch zum Problem werden, z.B. wenn Versicherungsunternehmen Risikoprofile erstellen.
Der Gesundheitsmarkt ist milliardenschwer und hat in Deutschland etwa den gleichen Umfang (und wohl auch den gleichen politischen Einfluss) wie die Autoindustrie.

Und dann gibt es da noch die Hacker. Praktisch täglich dringen sie in die angeblich immer gesicherten Daten von Firmen, Behörden, Ministerien ein und erpressen so Millionensummen. Auch im Gesundheitsbereich gibt es hierfür genügend Beispiele, in Singapur wurden z.B. vor einigen Jahren die Namen von Tausenden von HIV-Patienten ins Netz gestellt. Ein ganz aktueller Fall: der erfolgreiche Cyberangriff auf den IT-Dienstleister Bitmarcks im April 2023. Dessen Kunden sind insgesamt 80 gesetzliche Krankenkassen, z.B. die DAK, IKK Classic oder die Hanseatische Krankenkasse. Welche Daten erbeutet wurden (und wer damit ggf. erpresst wird) ist derzeit noch nicht klar.

Möchten Sie, dass Ihre Nachbarn und Kollegen bzw. die ganze Welt erfährt, dass Sie an einer Depression oder Angststörung leiden, dass Sie abgetrieben haben oder gar in Ihrer Kindheit missbraucht wurden? Wieviel würden Sie dem Hacker zahlen, damit das nicht morgen alle wissen?

Wer sich zu den vielfältigen Interessen an den Gesundheitsdaten und den Risiken und Nebenwirkungen näher informieren möchte, dem sei die aktuelle Dokumentation: "Nackt in der Gesundheitscloud - Wie unsere Körper und Biodaten zum Rohstoff und zur Ware werden." des Wirtschaftsjournalisten Norbert Hering (Handelsblatt) empfohlen.

"Primum nil nocere" - vor allem nicht schaden! Dieses seit jeher geltende ärztliche Prinzip müssen wir Ärzte heute auch auf die Sicherheit der Daten unserer Patienten anwenden. Unsere Praxis beteiligt sich daher nicht an der Telematik-Infrastruktur. Dafür müssen wir Strafe zahlen, so hat es die CDU-geführte Bundesregierung mit Jens Spahn beschlossen und auch der SPD-Gesundheitsminister Lauterbach hat daran nichts geändert. Also zahlen wir - jedes Jahr mehr als 10.000€.